So war der 2. Tapetenwechsel

Heute gibt es mal etwas ganz anderes zu lesen. Und damit läute ich eine neue Rubrik auf meinem Blog ein. Mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der Erfurter Soziokultur lerne ich in letzter Zeit so viele neue Menschen und deren Projekte kennen und bin der Meinung, dass genau diese Geschichten auch erzählt werden müssen. Da es darüber bisher nichts gibt, möchte ich mich darum kümmern. Also wird es ab jetzt, zwischen meinen üblichen gedankenreichen Texten, immer mal wieder etwas zur Erfurter Kulturlandschaft geben.

Den Anfang macht der Tapetenwechsel; ein Projekt, das mir jetzt schon sehr ans Herz gewachsen ist. Ursprünglich aus Leipzig und nun schon zum zweiten Mal in Erfurt.Als ich gelesen hatte, dass dieses Projekt auch nach Erfurt kommen soll, habe ich mich gleich gemeldet, um dabei zu sein und zu helfen es hier zu organisieren. Am 19. Februar veranstalteten wir den Ersten, letztes Wochenende dann schon den zweiten.

Dieses Mal war es für mich noch etwas besonderer, da ich nicht nur Mitorganisatorin war, sondern auch Künstlerin in einer Wohnung.

Aber erst noch einmal kurz zurück zum WARUM. Warum gibt es diese Veranstaltung, warum bin ich mit dabei? Dieses Format möchte vor allem Kultur zu Menschen bringen, die sonst nicht daran teilhaben, an Orte, wo sie normalerweise nicht stattfindet. Dazu soll damit lokalen Künstlern und Musikern geholfen werden eine niedrigschwellige Plattform zum Ausprobieren und Austausch mit dem Publikum zu bieten. Denn die klassische Distanz zwischen Künstler und Publikum wird beim Tapetenwechsel abgebaut. Zwischen Sofaecke und Esstisch wird gesessen, gelauscht, getanzt und Musik gemacht. Nähe und Authentizität, die so nur schwer woanders zu finden ist.

Ich habe mich für dieses Projekt entschieden, weil ich Spaß daran habe, Neues zu entdecken und Lust habe, zu helfen, dass sich in Erfurt etwas dreht. Und gerade die ehrenamtliche Tätigkeit, die ich seit über einem Jahr mache, hat mir gezeigt, welches Potential in dieser Stadt steckt. Wie viele unglaublich talentierte, inspirierende und engagierte Menschen es hier gibt. Menschen, die oftmals gleich mehrere Projekte stemmen, mitgestalten, mitreden, kämpfen; damit etwas passiert.

Beim ersten Tapetenwechsel haben wir sehr offensiv Werbung gemacht, im vornherein Künstler vorgestellt. Dieses Mal lief dies anders. Hatten wir beim letzten Mal leere Plattenbauwohnungen und somit eine Menge Platz zur Verfügung, waren unsere Bühnen dieses Mal drei private Wohnungen in der Krämpfervorstadt. Das beschränkte unser Platzangebot und somit haben wir entschieden, diese Veranstaltung nicht zu öffnen, sondern Gästelisteplätze durch Onlineanmeldungen zu vergeben und nicht zu verraten, wen es zu sehen und hören gibt.

Wie kommen wir eigentlich an die Künstler und Musiker? Vor dem ersten Tapetenwechsel haben wir gezielt Künstler angefragt, die die wir kennen, die wir gut finden,…da hatte jeder von uns ein paar in der eigenen Freundschaftsliste. Dadurch hatten wir schnell ein paar zusammen. Dazu haben wir auch einen Aufruf gestartet, der uns (bis heute) neue dazu brachte. Mittlerweile haben wir ein gutes Reportoire an Talenten, die Lust haben die Tapetenwechselbühne zu betreten. Was die Auswahl aber auch nicht leichter macht. Die läuft dann ganz demokratisch, wir sichten, wer zur Verfügung stehen würde, wir hören und sehen sie uns an und dann stimmen wir ab. Danach schauen wir, dass wir eine gute Mischung an Genres haben und schon steht das Lineup. So verfahren wir auch mit den Künstlern, sprich mit denen, die zur Musik ihre Kunst in der Wohnung drapieren oder darbieten. Im Februar hatten wir einen Comickünstler, Kunstinstallationen, Illustrationen und eine Literaturgruppe, die das Treppenhaus bespielt und belesen haben. Letzten Sonntag lag der Fokus auf dem Malerischen. Aber auf sehr unterschiedliche Weise. Mehr dazu später.

Jetzt noch kurz zum Ablauf dieser Veranstaltung. Diese fand zwischen 17 und 20:30 Uhr statt. In dieser Zeit konnten die Besuchergruppen die einzelnen Wohnungen, den Musikern lauschen, die Kunst bewundern, neue Menschen kennenlernen, mit den Künstlern sprechen, schlemmen, trinken, genießen. Mit Hilfe der Gästeliste teilten wir feste Gruppen ein, auch um zu verhindern, dass alle gleichzeitig vor nur einer Wohnungstür stehen, die anderen Wohnungen leer bleiben. Mit Hilfe eines „Reiseleiters“, der die Moderationsfunktion für die Gruppe übernahm wurden die Gäste durch den späten Nachmittag geführt. Im Rotationsprinzip führte er seine Tapetenwechsler von Wohnung zu Wohnung. In jeder hatten die Besucher eine Stunde Zeit für den Musikslot und die Kunst, danach spazierten sie zur nächsten. In jeder Wohnung waren neben den Künstlern, die Gastgeber, die teilsweise selbst mit rotiert sind, um auch die anderen Wohnungen zu erleben, das Barpersonal und ein Türsteher. Als Gastgeber steht es jedem offen, wie viel er sich selbst mit einbringen will. Entweder lädt er nur in seine Wohnung ein und ist somit offen für viele unbekannte Gesichter, die sein eigenes reich betreten oder er ist uns behilflich und übernimmt beispielsweise selbst eine Schicht an der Bar. Die Getränke und das Essen, das wir an diesem Tag für alle anbieten besorgen wir. Dieses Mal hatten wir kurz vor der Veranstaltung 240 Sandwichs geschmiert. Die gab es dann, neben den Getränken, gegen eine Spende. Die gesamte Veranstaltung ist kostenlos. Aber wir legen jedem Gast ans Herz wirklich für alles eine Spende dazulassen. Fürs Essen, Trinken, Hören, Sehen, Staunen. Denn uns ist auch wichtig, auch wenn es keine großen Summen sind, unsere Künstler zu entlohnen.

So, und nun zur Veranstaltung; wer war da, was habt ihr verpasst? Die liebe Anja hat uns wieder begleitet. Sie ist dieses Mal einer Gruppe gefolgt. Mit ihren Bildern seht ihr, wie ein Tapetenwechsel abläuft.

Wohnung #1

Das erste Set an diesem Abend legte die 16 jährige Lotus Yoona aus Erfurt hin. Vor zwei Jahren hat sie angefangen eigene Lieder zu schreiben. Traute sich damit auch schon auf die Open Stage in der Mehlhose oder die fete de la musique. Ihr Auftritt war schlicht, akustisch, mit Gitarre und Textbucht. Die Bewohner haben diese WG erst vor Kurzem bezogen, daher war auch die recht schlicht. Nichts, was von Lotus Yoonas Erscheinung ablenkte. Sie legte einen wirklich sehr souveränen und sympathischen Auftritt hin. Zwischendurch las sie auch einige ihrer eigenen Texte. Im Nebenraum stellte Sarah Buchholz unter ihrem Label „Papilio Art & Illustration“ aus. Sarah zeichnet seit 2015, ist auf der Comic Con zu finden und stellte vor ein paar Wochen im Retronom aus. Ihre Arbeiten hatte sie in einem kleinen Raum. Diesen dunkelte sie ab und verwandelte ihn zusammen mit kleinen Lichtern in ein Grafikkosmos.

Wohnung #2

Danach ging es nur ein paar Eingänge weiter in die 2. Wohnung. In der sechser WG erwarteten die Gruppe das Duo Funny Hänsel. Karsten und Ronald kennen sich beide aus Jena und das laut ihren Aussagen schon ewig. Seit einem Jahr spielen sie wieder zusammen und sind mit ihrer Musik seit einem halben Jahr unterwegs. Ihre Musik: geloopte Beets und Voices, zum Tanzen, Träumen mit Texten fürs Herz. Die beiden haben sehr viel gute Laune verbreitet und deren Musik schallte angenehm in die Hinterhöfe und war sogar in der naheliegenden 1. Wohnung zu hören. Dazu gab es Liveart mit der Grafikdesignerin Elisa Trebstein aus Halle. Sie gestaltet hauptsächlich Printsachen wie Flyer, Plakate und Hefte. Für den Tapetenwechsel hat sie sich das erste Mal an eine Wandgestaltung gewagt. Von 17 bis 23 Uhr stand sie in der Wohnung und brachte ihre Grafik, die sie extra für dieses Zimmer entworfen hat, an die Wand. Die Besucher konnten sie beim Entstehungsprozess beobachten.

Wohnung #3

Last but not least spazierte die Reisegruppe Tapetenwechsel ein paar Straßen weiter in die letzte Wohnung. Hier fanden sie schon im Treppenhaus die erste Kunst. Nämlich die eingereichten Gedichte, mit denen sich die Gäste anmelden sollten, um einen Gästelisten zu bekommen. Eagle & the Men erwarteten die Gäste dann als Musiker. Die Folkrock/ Singer Songwriter, die normalerweise zu dritt auftreten waren an diesem Sonntag nur zu zweit da. Mit Gitarre und Klavier belebten sie das Wohnzimmer. Irgendwie herrschte hier eine sehr besondere Athmosphäre. Für mich war diese Wohnung eh sehr besonders, da ich Teil davon sein durfte. Denn ich war hier die Künstlerin, die nicht nur ihre Bilder an den Wänden ausstellte, sondern auch live tätowierte. Diesen Fakt hatten wir im Voraus auch angekündigt, damit sich die Besucher drauf einstellen konnten. Und tatsächlich gab es viele Interessenten und Mutige. Einige kamen sogar mit kleiner Vorlage. Damit hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. In den drei Runden habe ich insgesamt sechs Menschen tätowiert und hatte zwischenzeitlich genauso viele Zuschauer hinter mir, wie Eagle & the Men im Wohnzimmer. Ihre Musik beim Arbeiten zu hören, war wunderbar, entspannend. Für sie war es lustig und sicherlich auch immer mal wieder seltsam, die Tätowiermaschine zu hören, während sie spielen.

Nach den drei Runden hieß es dann für alle abbauen und die Möbel wieder zurecht rücken. Wir als Tapetenwechselteam haben unseren besonderen Tag mit den restlichen Sandwichs und einem Bier ausklingen lassen. Wir sind alle sehr stolz auf unser Baby und das wir es jetzt schon zum zweiten Mal veranstalten konnten. Und planen auch schon das dritte Mal. So viel darf verraten werden: dann wollen wir nach draußen!

 

Vielen Dank an alle Gäste, die Musiker, die Künstler, eure Spenden, eure Neugier, euer Lächeln!

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