Dich nimmst du immer mit

©KarolinWerner

Du willst raus, bloß weg von hier, weit weg, da wo die Sonne scheint, das Leben bunter, angenehmer, schöner ist. Da hin wo diese Welt nicht ist. Dort wo all das Hier vergessen, belanglos, unwichtig ist. Ohne die Kisten, die Anhängsel, den Lebensdreck.

Weißt du, dass du auf all deinen Wegen DICH immer mitnimmst? Deine Füße all den Ballast, der dich erdrückt, trotzdem tragen. Egal wie leichtfüßig du dort springst, die Spuren, die sich im Sand abzeichnen, werden trotzdem tief sein. Der Druck der auf deinen Schultern lastet, drückt sich auch da deutlich ab.

Du willst mehr Meer, mehr Horizont, mehr Farbe. Aber die Wellen der Erinnerung umspülen auch dort deine Zehen, deine Dämonen blicken mit dir in die selbe Weite, das Blau, das Türkis, das Gelb, das Orange hat dort nur durch die Hitze mehr Luminanz. Das Grau, das Schwarz, das immer Gleiche hier drückt nur so schwer auf dein Gemüt, weil du die anderen Farben des Regenbogens nicht sehen willst.

Du willst weniger System, in das du nicht zu passen scheinst, weniger Konstrukt, weniger Gleichschritt, weniger Zwang, weniger Erwartungen, weniger Rollenmuster, Konventionen. Mehr Freiheit, mehr Sein, mehr Möglichkeiten, mehr Souveränität, mehr du. Den Schlüssel zu deiner inneren Freiheit steckt in deiner Brusttasche, nah an deinem Herzen, du müsstest nur danach greifen.

Du willst weniger Fesseln, Rucksäcke, Scherben, die dich binden, erdrücken, die Füße blutig schneiden, am Gehen hindern. Die du ablegen könntest, wenn du nicht immer gedanklich schon auf gepackten Koffern sitzen würdest. Die du umgehen könntest, wenn dein masochistisches Ego nicht immer wieder den Grind aufs Neue aufkratzen wollen würde. Wie viel Blut willst du verlieren bevor du aufhörst dich selbst zu knebeln?

All die Schmerzen, Ängste, falschen Entscheidungen, klaffenden Wunden, erstickende Zwänge, Enttäuschungen schnürst du fest ein, an dich, um dich. Keine Bewegungsfreiheit. Bondage, das jeden Tag mehr und mehr Furchen in deine Haut drückt. Seile, die du lösen könntest, hast du ja selbst den Knoten fest zu gezurrt.

Jedes einzelne Sandkorn unter deinen Füßen, jeder salzige Tropfen zwischen deinen Zehen, jede warme Windböe an deinen Wangen, all das Grün, das Weite, jede atemberaubende Idylle, Ruhe, jede Autonomie, Unabhängigkeit wird heilsam sein, dich wärmen, kitzeln, dich befriedigen, dich berühren, wenn du dich hier erlöst. Deine Geister befreist, deinen Ängsten Auslauf erlaubst, dein Herz von der Erwartung entbindest nie zu schmerzen, stattdessen für mehr Liebe auf freien Fuß setzt. Liebe für die Fehler, die dich hier her gebracht haben, Unbeholfenheiten, die dich in die Knie gezwungen haben, Steine, die dir im Wege liegen, egal wohin du trittst. Liebe für den Menschen, der so viel zu geben hat, in dem tausende Leidenschaften beben, den so viele Träume antreiben, der alle Unwegsamkeiten umschiffen kann, in dessen Brust so viel Kraft steckt.

Ich sehe dich am Strand tanzen, von Klippen springen, dem Abendrot entgegen singen, ich sehe dich zufrieden, berührt vom Leben, dem Lachen, dem Sein, dem Jetzt, dem Hier, berührt von dir. Ich sehe das Mehr, den Horizont. Sehe die Farben, sehe dich leuchten. Male dieses Bild nicht mit Ausflüchten, Rückzügen, Ausbrüchen, Rissen, die dich von dir trennen. Die Couleur deiner Seele glänzt nur, wenn sie rein ist, in sich, mit sich.

Foto: Karolin Werner

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